Ich mag große Bauvorhaben. Ich mag nicht, wenn sie in den Sand gesetzt werden, weil sie nicht anständig geplant wurden. Oder wenn sie mehr kosten, als man ausgeben wollte oder wenn sie sich endlos verzögern, weil irgendjemand immer etwas auszusetzen hat. Ich mag, wenn große Bauvorhaben fertiggestellt werden. Wenn da plötzlich ein großes neues Gebäude oder gar ein ganzes Viertel neu entstanden ist. Mit einem Mal steht dann da ein neues Einkaufszentrum, eine neue Bibliothek, ein modernes Hotel, hippe Restaurants und hübsche Wohnungen. Und auch wenn ich keine Ahnung von Architektur habe, so bin ich doch ein bisschen beeindruckt von der immer neuen Kreativität der beteiligten Architekten.
Aber das eigentlich spannende an diesen großen Projekten ist die Bauphase. Wenn einer brachliegenden Landschaft plötzlich Leben eingehaucht wird. Die ersten Baumaschinen rücken an, die Erde wird geebnet, das Fundament gelegt. Und von nun an sieht man wie Stück für Stück die Etagen heranwachsen. Tausende Betonstahlstäbe werden in den Beton gesteckt und mit diesen aufgegossen. Und schon bald steht der Rohbau und man kann erahnen, welche Größe das neue Gebäude einnehmen wird. Dann folgen Fenster und Türen, die Fassade wird bestückt. Und wenn dann die Gerüste entfernt werden, sieht man zum ersten Mal das Gesamtbild. Von dort an ist es nicht mehr weit und auch innen geht es voran. Irgendwie kann man nicht abwarten endlich in das fertige Gebäude hineintreten zu dürfen.
Bekanntlich wohne ich in Stuttgart und zufälligerweise entsteht hier gerade auch ein enormes Bauprojekt. Über die Entscheidung des Pro und Contra möchte ich hier gar nicht eingehen. Es wird jetzt nun mal gebaut und ich finde es unglaublich spannend, was gerade vor meiner Haustür so entsteht. Willkommen im Europaviertel. Man ist hier ein bisschen international orientiert, deswegen haben die neuen Straßen, die bisher fast nur auf Plänen existieren, Namen europäischer Hauptstädte und an den vier Außenwänden der neuen Stadtbibliothek steht das Wort Bibliothek in verschiedenen Sprachen.
Das Europaviertel liegt direkt nördlich vom Hauptbahnhof. Fast unabhängig vom dortigen Umbau und der Verlegung in den Untergrund, werden dort gerade viele verschiedene Bauprojekte realisiert. Die Stadtbibliothek mit ihrer unscheinbaren, ja fast bunkerartigen Außenfassade, aber dafür umso aufregender Innenarchitektur und den markant blau leuchtenden Glasbausteinen, machte 2012 den Anfang. Es folgte das Wohngebäude Pariser Höfe, welches nun auch endlich Bewohner in das Viertel bringt. Im nächsten Frühjahr wird das Tagungs- und Schulungszentrum der Sparkassenakademie gleich daneben eröffnet. Nur zwei Meter weiter entsteht ebenfalls gerade das Großprojekt Milaneo. Auf drei miteinander verbundenen Flächen werden dort bis 2015 ein Hotel, ein Einkaufszentrum, Restaurants und weitere Wohnungen gebaut. Dazwischen drängt sich der Europe Plaza, der eigentlich so ähnlich ist. Als wäre dies nicht genug, soll an der Ecke ein, sagen wir mal, Wolkenkratzer mit Luxushotel und Penthousewohnungen entstehen. Und mittendrin darf eine neue U-Bahn Station mit unterirdischer Linienführung natürlich auch nicht fehlen.
All dies kann ich gerade wunderbar beobachten. Zwanzig Baukräne sind es ungefähr, die hier derzeit zum Einsatz kommen. Natürlich ist es laut und Baulärm mag niemand, aber wenn man jeden Tag sieht, wie ein bisschen mehr entstanden ist, siegt meine Faszination darüber. Vielleicht bin ich ja einfach komisch, dass mir das Leben direkt neben einer Großbaustelle nichts ausmacht, aber bald ist alles fertig und dann kann ich aus meiner Haustür über die Straße laufen und einkaufen gehen, mich in ein Café setzen oder auf dem Dach der Stadtbibliothek in der Sonne liegen. Das ist Stadtleben und ich mag es so.
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Ich bin auch nicht gerade begeistert von dem Projekt gewesen, jetzt aber zufällig direkt an die Heilbronner Straße gezogen und werde zwangsläufig damit konfrontiert.
Ich find’s ebenso faszinierend wie Du, bin neulich erst auf dem Steg zur Bibliothek gestanden und dachte: „Krass.“ Wie alles so entsteht.
Abends beim Joggen laufe ich immer an der Wolframstraße entlang, und merke, wie es immer mehr und detailierter wird.
Leute sagen immer, ich wäre ja mitten in die Baustelle gezogen. Und belächeln mich immer, wenn ich sage, dass mir das nichts ausmacht.